Kulturlandschaft Montafon
Orientierung am Lebensraum-Konzept
Das Montafon ist gut erforscht. Die kulturelle Entwicklung wird seit Jahrzehnten dokumentiert.
Wie wird Kultur im Montafon verstanden? Welche kulturtouristischen Projekte sind etabliert und welche entwickeln sich gerade? Damit setzte sich die Plattform Kultur & Tourismus am 5. Dezember 2022 in der Kulturbühne Montafon in Schruns auseinander. Ein Rückblick.
Die Plattform Kultur & Tourismus vernetzt seit mehr als zehn Jahren Kulturschaffende und Gastgeber:innen in Vorarlberg. Ziele sind, sich kennenzulernen und auszutauschen, gemeinsam Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Anfang Dezember lud die Plattform in die Kulturbühne Montafon zur Auseinandersetzung mit der „Kulturlandschaft Montafon“. Rund 40 Interessierte aus beiden Branchen und ganz Vorarlberg waren zu Gast.
Aufbauen auf dem kulturellen Erbe
Einleitend ging Michael Kasper, Leiter der Montafoner Museen und Herausgeber zahlreicher Bücher, in seinem Kurzreferat auf das kulturelle Erbe der Talschaft ein. „Das Montafon ist gut erforscht. Die kulturelle Entwicklung wird seit Jahrzehnten dokumentiert“, stellte er fest. Das fundierte Wissen ermöglicht einen seriösen Blick auf das materielle sowie das immaterielle Erbe des Montafons. Dazu gehören Bergbau, Alpinismus, Energiewirtschaft, Tourismus, Baukultur, Kulturlandschaft – insbesondere die Maisäß-Kultur und Trockenmauern genauso wie die traditionellen Krautschneider und die Geschichte der Schwabenkinder. Auch Sprache, Flur-, Berg- und Ortsnamen sind identitätsstiftend und prägen die Region. Diese Themen seien gut aufgearbeitet, bei den touristischen Betrieben aber noch nicht so angekommen, meinte Kasper.
Gelungene Projekte sorgen für Aufmerksamkeit
Bei einigen Projekten ist die Verknüpfung jedoch schon gut gelungen: Roland Haas präsentierte dazu Beispiele aus dem SilvrettATELIER. Seit 25 Jahren betreut der Montafoner Künstler die Kunstbiennale auf 2.000 Meter Höhe. Dazu sind Künstler:innen für jeweils 14 Tage auf die Versettla eingeladen, um sich mit den besonderen Gegebenheiten oder der Geschichte des Ortes auseinanderzusetzen: Natur- und Bergerlebnis, geomorphologische Situation, Alpinismus, Touristenattraktion, Seilbahntechnik usw. Jeweils im darauffolgenden Frühjahr werden die Kunstobjekte ausgestellt. Ob Landart, digitale Kunst, Videos oder Installationen – die Ergebnisse werden zusätzlich in einem Band und im Kunstforum Montafon in Schruns präsentiert.
Künstler:innen als Multiplikatoren
Das SilvrettATELIER ermöglicht Gästen aus dem In- und Ausland einen Einblick in die künstlerischen Sichtweisen der Teilnehmer:innen und ihre Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe des Montafons. So gab es in der Vergangenheit Installationen mit Schneestangen, etwa ein Schneestangen-Mikado, -Baum oder -Rad. Eine Schneekanone aus dem Montafon schaffte es vor das vorarlberg museum nach Bregenz, ein Hubschrauberlandeplatz wurde auf die Staumauer gemalt, eine Bank wurde an der Wasserscheide auf einem Berg platziert und die Fließrichtungen markiert, alte Skier bildeten den Schriftzug „JETZT“ auf einem Berg. Das SilvrettATELIER ist ein Erfolgsprojekt. „Es gibt eine lange Warteliste. Künstler werden inzwischen zu Recht als Multiplikatoren wahrgenommen“, meint Haas, der auch Bergführer und Skilehrer ist. „Die Kunst bringt interessierte Gäste ins Tal.“
Programm für Bewohner:innen und auf Zeit
Bei den Montafoner Resonanzen wurde aus der Not eine Tugend: In Ermangelung eines großen Veranstaltungssaales finden die Konzerte an verschiedenen Spielorten statt, die einen Bezug zum Programm haben und/oder Besucher:innen nicht offen stehen. So fand beispielsweise ein Hüttenkonzert in Kooperation mit dem Alpenverein statt oder ein Abend im Lichttunnel auf der Bielerhöhe. Zunächst war das gesamte Festival in zehn Tage gepackt, nun wurde es auf sechs Wochen ausgedehnt mit wöchentlich wechselnden Schwerpunkten. Mit dem Programm hat sich auch das Publikum erweitert und verändert: Während zu Beginn vorwiegend Einheimische das Festival besuchten, sind heute etwa die Hälfte Urlaubsgäste – für Manuel Bitschnau, Geschäftsführer von Montafon Tourismus, sind sie „Bewohner auf Zeit“. Die Abstimmung zwischen den Branchen geht inzwischen sogar so weit, dass die Konzerte außerhalb der Essenszeiten der Hotels stattfinden.
Touristische Strukturen für Kulturprojekte nutzen
Was sind die Erfolgsfaktoren? Manuel Bitschnau nannte die Konzentration der Partner:innen auf ihre Kernkompetenzen: Während Montafon Tourismus Verkauf, Kommunikation, Eventmanagement und Abrechnung übernimmt, zeichnen Kulturschaffende für die Programmierung verantwortlich. Es sei wichtig, „einander Raum zu geben. Als Touristiker bieten wir uns nur an zu unterstützen, reden künstlerisch aber nicht mit. Dafür gibt es Experten“, bekräftigte Bitschnau. Dies sei als Angebot zu verstehen, das auch in der Kulturtourismusstrategie 2025 festgeschrieben ist: Kulturschaffende sollen sich gerne an die Destinationsmanagements wenden, wenn Ideen entstehen. Die bestehenden Strukturen und Kanäle können bei der Umsetzung helfen. Montafon Tourismus wandelte sich in den vergangenen Jahren von einer reinen Marketingorganisation zu einer Destinationsmanagement-Organisation. „Wir übernehmen Verantwortung im ‚Er-Lebensraum‘ Montafon und sehen uns als Vernetzer für Leistungsträger“, betonte Manuel Bitschnau.
Angebot für Einheimische
In einer abschließenden Gesprächsrunde mit den Initiatoren der Plattform Kultur & Tourismus, Christian Schützinger und Winfried Nussbaummüller, wurden weitere – junge bzw. gerade entstehende – Projekte vorgestellt. Hotelière Andrea Schwärzler schilderte, wo und wie das Projekt „Kultur 1454“ entstanden war: Zum Schutz vor Lawinen und Hangrutschungen beim Hotel Madrisa in Gargellen wurde 1951 ein Schutzwall errichtet. An diesem Ort bietet nun eine kleine Gruppe von Hoteliers seit 2020 jährlich ein Konzert und eine Lesung für Einheimische an. Die Veranstaltungen finden deshalb bewusst in der Zwischensaison statt und werden (noch) nicht touristisch genutzt. Auf die Frage, warum sie als Touristikerin ein Kulturprojekt entwickelt hat, sagte Andrea Schwärzler: „Wir glauben an das Lebensraum-Konzept.“ Die Gemeinschaft im Dorf und was schon da war, wollten sie sichtbar machen. Mit „Kultur 1454“ ist dies gelungen.
Zur Austausch-Plattform für – zunächst einheimische – Jugendliche hat sich die MAP Galerie entwickelt. Im Kombination mit einer Sommerbar siedelt sich die Galerie jährlich seit 2020 an einem anderen Ort an – im Sommer 2022 an der Litz. Auch personell ist sie jeweils anders bestückt, was für Abwechslung bei Wiederkehrer:innen sorgt. Die MAP Galerie, die Kunstvermittlerin Daniela Vogt-Marent vorstellte, zieht inzwischen auch junge Urlaubsgäste an. Thematisiert wurden zudem das PIZ Montafon, Österreichs erste Zukunftslabor für nachhaltigen Tourismus, und das Kulturleitsystem Montafon. Letzteres ist ein EU-gefördertes Projekt, das Kultureinrichtungen im Tal mit Schildern und einer speziellen Landkarte besser sichtbar machen soll.
Neuausrichtung Kulturbühne Montafon
Und die Kulturbühne Montafon selbst? Derzeit unbespielt, soll die ehemalige Kulturbühne Schruns auf neue Beine gestellt werden. Der Namensänderung ist ein erstes Signal. Laut Bürgermeister Jürgen Kuster wird sie nun neu kuratiert. Während sie früher rein kommerziell geführt wurde, sollen künftig Einheimische und Einheimische auf Zeit ihren Kulturhunger darin stillen können – so der Wunsch. Die Kulturbühne könnte so zum „kulturellen Nahversorger“ für die Talschaft werden.