Pecha-Kucha-Nachmittag im Kulturbahnhof Andelsbuch
Zukunftsbilder entwickeln
Zehn Mal hieß es „Bühne frei!“ für gelungene Kooperationen zwischen Kultur und Tourismus. Beim elften Pecha-Kucha-Nachmittag der Plattform Kultur & Tourismus am 21. Juni 2023 lag der Fokus erstmals auf Initiativen rund um die Themen Nachhaltigkeit, Jugend und Mobilität. 9 Projekte wurden anhand von jeweils 20 Bildern à 20 Sekunden Vortrag vorgestellt.
Sowohl die Vorarlberger Kulturstrategie als auch die Tourismusstrategie wurden im vergangenen Jahr weiterentwickelt. Für die Plattform Kultur & Tourismus war dies der Anlass, die alljährliche Pecha-Kucha-Veranstaltung inhaltlich neu auszurichten. Die Schnittmenge beider Strategien umfasst unter anderem die Themenfelder Nachhaltigkeit, Jugend und Mobilität. Zeitlich und thematisch passend lud die Plattform deshalb zur Sonnenwende in den Bahnhof Andelsbuch, um zukunftsgerichteten Projekten aus diesen Bereichen eine Bühne zu geben.
1902 eröffnet, nach Leerstand und Sanierung als Kulturbühne 2020 wiederbelebt, ist der Bahnhof Andelsbuch ein Paradebeispiel für eine stimmige nachhaltige Nachnutzung. Im dort tätigen Kulturverein veranstalten 28 Ehrenamtliche ein buntes Programm abseits des Mainstreams mit jährlich über 40 Events und leisten dafür rund 1.800 Freiwilligenstunden pro Jahr, berichtete Obfrau Sandra Pöltl bei ihrer Begrüßung. Fürs Catering arbeitet der Verein mit Andelsbucher Betrieben zusammen: mit Wolfgang Mätzler von fairkocht, dem Gasthaus Jöslar und Weinhändler Martin Fink.
Die Jugend im Blick
Andrea Geiger und Daniel Mutschlechner wissen, wie Nachhaltigkeit funktioniert und wie junge Leute ticken. Das Jugend- und Bildungshaus St. Arbogast wurde in den 1960er-Jahren für ebendiese Zielgruppe errichtet und kürzlich komplett saniert. Vorteile genießen Jugendliche durch 5-Euro-Tickets für Bildungsformate und durch spezielle Angebote wie Folk Arbogast, ökosoziale Schullandwochen, Lehrlingstage für Vorarlberger Familienbetriebe oder beim „Coffee Shop“ für alle Generationen. „Zur Bildung gehört auch Geschmacksbildung“, sagt Andrea Geiger. Ein Leichtes für die hauseigene Küche: St. Arbogast ist bekannt für die hervorragende vegetarische und regionale Biokost.
Kreativität als wichtige Kompetenz
Das Augenmerk klar auf die Jugend richtet die Initiative „Double Check“ der Bildungsdirektion Vorarlberg. Andreas Eder war 30 Jahre Lehrer und weiß aus Erfahrung, dass „der Zugang zu Kultur oft nicht selbstverständlich ist. Dafür gibt es Double Check. Der Verein vernetzt Jugendliche mit Kunst und Kultur und fördert ihre Kreativität – eine wichtige Kompetenz“, ist Eder überzeugt. So gibt es Lehrlingsprojekte, bei denen Kunst und Kultur in der dualen Ausbildung integriert sind. Unter dem Motto „Kunstimpulse“ bringen Künstler:innen ihr Metier Schüler:innen näher u. v. m. Der Verein bringt dazu finanzielle Mittel auf, vermittelt Kontakte und ein Kulturkalender informiert übers Programm.
Stressfrei und nachhaltig unterwegs
„Wie schaffen wir es, dass Menschen glücklich und stressfrei an- und abreisen?“ Diese Frage stellte David Moosbrugger, Verkehrs- und Raumplaner bei Rosinak & Partner, in den Raum und zielte damit auf die Tourismusbranche ab. Die öffentliche Mobilität muss einen Mehrwert liefern, meint er. Etwa durch Pull-Maßnahmen – also durch Angebote, die einen nahtlosen Wechsel zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln zulassen: z. B. Räder können in der Bahn mitgenommen, Carsharing-Autos an Bahnhöfen ausgeliehen oder Gepäcktransporte gebucht werden. Manche Tourismusorte lösen Verkehrsprobleme durch Push-Maßnahmen, indem sie Sperrzonen oder Parkplatzbewirtschaftung einführen und so Gäste dazu bringen, auf das Auto zu verzichten.
Vom Auto unabhängig werden
„Stellen Sie sich vor, alles ist perfekt abgestimmt, alle Mobilitätsangebote sind via App sichtbar und buchbar“, forderte auch Verena Seethaler-Steidl die Besucher:innen auf. Als Smart-Mobility-Expertin beim Verkehrsverbund Vorarlberg stellte sie bestehende Schnittstellen verschiedener Verkehrsmittel in Vorarlberg vor, die schon gut funktionieren und auch jene, die noch besser werden sollen: Durch mehr Fahrradboxen und Nachtbusangebote, Ausbau der Anrufbusse, mehr Möglichkeiten, Fahrrad und Bus zu kombinieren, Kooperationen mit weiteren Mobilitätsangeboten (z. B. Lastenräder) könnten die Menschen in Vorarlberg noch mobiler und unabhängiger vom eigenen Auto werden. Im „V-Mobil-Lab“ werden dazu verschiedene Varianten ausprobiert und der Bedarf in Vorarlberg erhoben.
Eine Destination wird grün
Mit dem PIZ MONTAFON stellte Jessica Ganahl das erste Zukunftslabor für Nachhaltigkeit im Alpenraum vor. Ziel ist es, das Montafon als nachhaltige Destination zu zertifizieren. Bewusstseinsbildung ist dabei die Grundlage. Ein „Green Mindset“ soll bei allen fruchten – bei den Betrieben und letztlich bei allen Menschen im Tal, auch bei den Gästen. Dazu gibt es Informations- und Austauschformate sowie den Nachhaltigkeitscheck für Gastgeber:innen, um den eigenen Status einschätzen zu können. Die Mobilität sieht das PIZ-Team als größten Hebel, um Emissionen zu reduzieren. „Es geht um unseren Lebensraum, deshalb arbeiten wir mit vielen Stakeholdern im Montafon zusammen. Und es braucht auch freiwilliges Engagement“, sagt Jessica Ganahl.
Werte der Vorarlberger Kochkultur
Bei den „Fanni Amann Tagen“ kommen Kunst, Kultur und gute Gastgeberschaft zusammen. Die Namensgeberin für das junge Festival gilt bis heute als DIE Koch-Ikone in Vorarlberg und ist für die heutige Food-Generation in Sachen Nachhaltigkeit ein Vorbild. Ihr bewusster Umgang mit Lebensmitteln erlebt ein Revival, wenn alle Teile eines Tieres oder von Gemüse verarbeitet und Reste in einer neuen Mahlzeit wiederverwertet werden. „Nose to Tail“ und „Zero Waste“ heißt das heute – das sind die Grundlagen fürs Festival. „Zusätzlich bietet es Wissensvermittlung in Form von Kursen, Werkstätten und beim Austausch auf Augenhöhe“, informierten die Initiator:innen Julia Beck und Marcus Naumann von der Region Dreiklang.
Sozialer Wandel beginnt im Kleinen
Einen niederschwelligen, einfachen Zugang zum Thema Nachhaltigkeit will Mathias Klocker, Geschäftsführer von Damüls Faschina Tourismus, mit der neuen Veranstaltungsreihe „17 Peaks“ schaffen. Inhalte sind die SDGs, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Das erste von 17 „Perspectivals“ findet in Damüls statt. „Es soll ein Festival werden, ohne die wichtigen Themen zu vergessen oder auszugrenzen“, erklärt Klocker. Unter dem Motto [AUS]GRENZEN treffen Menschen in unterschiedlichen Formaten zusammen: in Konzerten, Diskussionen, Lesungen, an einem Geschichtenvormittag, beim „Speed-Dating“ auf dem Sessellift oder beim Schaukeln. „Wir wollen Nachhaltigkeit im Kleinen anstoßen, damit sozialer Wandel passiert“, so Klocker.
Essen verbindet
Die „Zukunft auf den Tisch!“ bringt die Ernährungsexpertin Sophia Sandkühler mit ihrem Projekt „Tisch Zwölf“. Gemeinsam mit den Partnern Emanuel Moosbrugger vom Biohotel Schwanen in Bizau, Wolfgang Mätzler (fairkocht) sowie Koch und Rezept-Kreateur Jodok Dietrich bietet „Tisch Zwölf“ zwei Mal pro Woche in der CampusVäre in Dornbirn ein vegetarisches Mittagessen aus Biolebensmitteln vom Vetterhof an. An der langen Tafel wird für viele Menschen aufgetischt, die sonst nicht zusammenkommen würden. „Essen ist immer ein verbindendes Kulturelement“, sagt Sophia Sandkühler. Dazu gibt es noch eine gesunde Mahlzeit, die „Tisch Zwölf“ inzwischen auch an Unternehmen liefert sowie nicht oder wenig genutzten Gasthäusern offeriert, um diese zu beleben.
Blitzblank
„Blitzblank – vom Putzen“ und Nachhaltigwerden handelt die nächste Ausstellung im Frauenmuseum Hittisau, die in Kooperation mit dem Lechmuseum läuft. Sie widmet sich dem Schmutz und jenen Menschen, die ihn beseitigen, den einhergehenden Rollenbildern und Machtverhältnissen. „Frauen sind stärker vom Klimawandel betroffen als Männer. Arme räumen den Dreck der Reichen weg“, beschreibt Direktorin Stefania Pitscheider-Soraperra den Zugang. Die neue Schau wirft Fragen auf wie: Was ist sicher, ordentlich (ghörig), rein – auch im rituellen Sinn. „Die Kunst kann Wesentliches aufgreifen. Wir sind ein Museum, das Fragen stellt und den Menschen in den Mittelpunkt rückt“, erklärt Pitscheider-Soraperra.